Hitler’s Deutschland --. Der Geist lebte weiter…

 

von Kendall Kerr

Mit der Machtergreifung Hitlers 1933 wurden alle Jugendbewegungen aufgelöst oder in die Hitlerjugend eingereiht. Es ist bekannt, dass viele Pfadfindergruppen mit Pfadfinderideen heimlich fortbestanden und einige von ihnen Verfolgung und Inhaftierung durchmachten. Trotz Gestapo existierte ein heimlicher Pfadfinderkern weiter.

(aus: „The left Handshake“ – The Boy Scouts Movement during the war 1939 -1945, 1949, von Hilary St. Georgs Saunders)

 

Für die meisten von uns gehört die Idee, verbotene Versammlungen zu besuchen, Geheimschriften zu verwenden und nur einigen auserlesenen Leuten trauen zu können , in Kriegsfilme oder Kriminalromane. Aber Bill Lange, der jetzt als Pfadfinderführer beim Trupp 59 in Regina , Saskatchewan (Canada) mitmacht, erlebte es.

Bill war vor dem 2. Weltkrieg ein Junge in Deutschland. Und er war Pfadfinder.

In den 30’er Jahren hatte Baldur von Schirach, Führer der Hitlerjugend, die Staatsgewalt zu seiner Verfügung. Sein Endziel war, alle Jugendgruppen aufzulösen, um die Hitlerjugend zur einzigen Jugendbewegung in Deutschland zu machen.

Die Ziele und Ideen des Pfadfindertums stießen heftig mit denen der NSDAP zusammen und 1933 besetzten Hitlerjugend-Gruppen Pfadfinderlager und –heime. Im Sommer desselben Jahres gab die Regierung eine Verordnung heraus, wonach alles Pfadfindermaterial – Wimpel, Trachten, Lagerausrüstung und Schrifttum – ausgeliefert werden musste. Damit war die Pfadfinderbewegung amtlich in Deutschland aufgelöst.

Während viele Trupps das verbotene Pfadfindermaterial auslieferten, schloss sich Bill mit mehreren seiner Freunde der Pfadfinderbewegung im Untergrund an und gründete in Zeitz das Wikinger-Fähnlein.

Als das Pfadfindertum in den Untergrund ging, sickerte die HJ schnell in die verbotenen Trupps ein, von denen sie hoffte, Mitglieder für ihre Organisation zu gewinnen. Die Idee war, einen Pfadfinder zu überzeugen, Führer in der HJ zu werden und dann dafür verantwortlich zu machen, andere Truppmitglieder nachzuziehen. Bei dieser Gelegenheit trat ein Einsickerer an Bill heran, um im Wikinger-Fähnlein eine Zelle zu bilden. Nachdem man an ihn herangetreten ware

ein Zellenbilder zu werden, machte Bill seinem Pfadfinderführer eine Meldung über den Einsickerer. Der Führer ging sofort daran, alle Fähnleinführer zu vernehmen, um ihre Treue zum Pfadfindertum festzustellen. Der Einsickerer gestand schließlich seinen Glauben und seine Treue zum Nazisystem und wurde aus dem Fähnlein ausgestoßen. Die Pfadfinder waren sich bewußt, dass es bald Ärger geben würde.

Eines Abends, als sich das Fähnlein im Keller von Bills Elternhaus traf, führten die Gestapo und HJ-Mitglieder dort eine Razzia durch. Als Grund wurde „internationaler Verrat“ angegeben (immerhin kam das Pfadfindertum aus England) und sie begannen, die Räumlichkeiten zu durchsuchen. Als ein Mitglied der HJ versuchte, den Pfadfinderwimpel herunterzureißen, kam es zu einer Schlägerei. Obwohl eine Anzahl von Fähnleinmitgliedern verhaftet wurde, fand die Gestapo kein „staatsgefährdendes“ Material, das ihnen für eine Anklage Veranlassung geben konnte. Sie setzten die Pfadfinder auf freien Fuß. Da sie sich vorstellen konnten, dass sie von der Gestapo nicht in Ruhe gelassen wurden, suchten die Jungen Hilfe bei einem russischen Offizier der alten zaristischen Armee, der nun in Deutschland lebte. Mit der Methode der russischen Geheimpolizei vertraut, gab er dem Fähnlein einen guten Rat.

Um zukünftige Durchsuchungen zu vermeiden, riet er, von der Gestapo etwas verbotenes Material finden zu lassen. Sein Rat wurde befolgt. Als die Gestapo das nächste Mal wiederkam, fand sie Pfadfinderbücher, Bilder und Lagerausrüstung. Sie beschlagnahmte das Material und behelligte das Wikinger-Fähnlein nie wieder.

Trotz ihrer Auseinandersetzung mit dem Nazisystem trafen sich weiterhin Pfadfindertrupps in Freundschaft. Mit ihren Trachten in Tornistern verpackt wanderten sie zu heimlichen Versammlungsplätzen tief in den Wäldern, wo sie sich mit anderen Untergrundgruppen zum gemeinsamen Lager trafen. Ohne Verständnis und Hilfe von freundlichen Bauern wären diese Pfadfindertreffen,

die den Geist erhielten, unmöglich gewesen.

Obwohl das Pfadfindertum offiziell verboten war, gab es viele treue Helfer im Land und Bill berichtete von einem persönlichen Erlebnis, um das zu beweisen.

Es geschah bei seiner Rückkehr nach Hause aus der Schweiz, wo er sein Abitur gemacht hatte. An der deutschen Grenze durchsuchte ein Zollbeamter seine Sachen und fand in seinem Koffer ein grünes Pfadfinderhemd und ein blaues Halstuch. Aber Bill hatte Glück, denn der Zollbeamte war früher selbst Pfadfinder und gab ihm nur eine strenge Verwarnung, das nächste Mal etwas vorsichtiger zu sein. Dann ließ er ihn passieren.

Nach Kriegsschluss begann die Neugründung. Die Pfadfindergruppen wurden erst in den größeren Städten organisiert und verbreiteten sich langsam im Lande, bis sich wieder Jungen von jeder Altersgruppe daran erfreuen konnten. Heute ist das Pfadfindertum in Westdeutschland sehr aktiv. Pfadfinder aus allen Ländern erinnern sich mit Stolz an die stark vertretenen Kontingente bei internationalen Treffen und die Freunde, die sie unter ihnen fanden.

 

Die Geschichte des Pfadfindertums

Eine Darstellung aus dem Nazi-Deutschland

 

(aus einer deutschen Radiosendung während der Kriegszeit zitiert in „The Listener“)

 

„Ein englischer Offizier hatte die Idee, eine große Kinderorganisation aufzubauen und er begann mit der Bildung einer Jugendorganisation in England“ sagte der Radiobericht.

„Er wies sie an, alle Dinge von militärischem Interesse, die sie im Lande fanden, niederzuschreiben. Natürlich waren die Jungen begeistert. Es war daher leicht,

Zweigstellen dieser Organisation in allen europäischen Ländern zu gründen. Überall zeichneten die Jungen ganz unbewusst Karten von militärischen Interesse und diese wurden an das englische Hauptbüro geschickt“. „somit“ fuhr die Radiosendung fort, „hatten die Briten eine Armee von arglosen jungen Spionen in ganz Europa und die ganze Sache war so gut getarnt, dass niemand Verdacht schöpfte. Der Name dieses Spions, der diesen teuflischen Einfall hatte, ist Sir Robert Baden-Powell und seine Organisation wird "Boy Scouts" genannt: "Pfadfinder.“

 

Übersetzung: Wilhelm Lange, Regina, Sask., Canada

Früher DPB, Horst Zeitz (Sachsen)

Mitglied der ZentralGilde im VDAPG e.V.  

15.03.1985

 

Originalbericht in engl. Sprache in „The Leader“ Nr. 6 /Februar 1985

Boy Scouts of Canada.