Harald E. Kesselheim

 

Dienst für eine Weltorganisation

 
 
Freunde aus dem VDAPG und aus der Pfadfindergilde Österreich (PGÖ) fragten mich Anfang 2008, ob ich bereit wäre auf der ISGF-Weltkonferenz in Wien für die Mitgliedschaft im ISGF-
Weltkomitee zu kandidieren. Nach reiflicher Überlegung und eingehender Diskussion mit meiner Frau habe ich mich dazu bereit erklärt. Ich hielt es für wichtig, dass die Subregion Zentraleuropa
im Weltkomiteevertreten ist und unsere pfadfinderischen Traditionen und Ideale dort einzubringen. Meine Vorstellung war es dazu beitragen zu können, die Anzahl der Mitgliedsländer in ISGF und
die Zahl derorganisierten erwachsenen Pfadfinderinnen und Pfadfinder insgesamt zu erhöhen.
 
Die Amtszeit im ISGF-Weltkomitee ist kraft Satzung auf sechs Jahre beschränkt, Widerwahl ist nicht möglich. Dabei überlappen sich die Amtszeiten, weil bei der alle drei Jahre stattfindenden
ISGF-Weltkonferenz jeweils die Hälfte der Weltkomittee-Mitglieder ausscheidet. Dies ist aus meiner Sicht eine sehr kluge Regelung, weil damit keine langfristigen Amtsführungen zustande kommen,
sondern stets neue Ideen und Ansichten in das Weltkomitee eingeführt werden. Allerdings hat diese Regelung auch zur Folge, dass manche wichtige Aufgabe mit dem Ausscheiden des Weltkomitee-
Mitgliedes nicht mehr weiter geführt wird, weil bei den Nachfolgern z.B. die Interessen andersgelagert sind oder dasnotwendige Know-how fehlt.
 
Während der ersten drei Jahre lagen meine Aufgabenschwerpunkte in der Betreuung der ISGF-Region Asien/Pazifik („AsPac“) und in der Mitgliedschaft im Legal Team, das für die Klärung von
Rechtsfragen innerhalb ISGF und im Verhältnis zu Dritten zuständig ist. Dazu gehört auch die Prüfung von Satzungen oder Satzungsänderungen der Mitglieder, Subregionen und Regionen auf
Vereinbarkeit mit den ISGF-Grundsätzen, insbesondere mit der ISGF-Constitution.
 
Schon in der ersten Sitzung des neu konstituierten Weltkomitees im Oktober 2008 in Wien hatten wir auf der Basis des von der Weltkonferenz beschlossenen „Action Plan 2008 – 2011“ konkrete
Zielbeschreibungen als Arbeitsaufträge mit Abschlussdatum beschlossen. Dabei wurden auch die Verknüpfungen zu anderen Themen, die Kooperation mit den anderen neun Komiteemitgliedern
und die Verantwortlichkeiten beschrieben. Diese dreitägige Basisarbeit war aufwändig, hat sich aber für die Folgezeit als professionelle Basis der Teamarbeit bewährt. Die eigentliche Arbeit
konnte am eigenen Schreibtisch stattfinden. Für die gegenseitige Information und Abstimmung wurden grundsätzlich E-Mails oder Skype genutzt. Somit genügten im Weiteren einmal jährliche
Komiteesitzungen, die in einem Brüsseler Kloster und zur Vorbereitung der Weltkonferenz 2011 in einem idyllisch in Tavernerio bei Como gelegenen Kloster stattfanden. Im Schnitt fielen täglich,
also auch am Wochenende, etwa zehn Emails mit mehr oder weniger Arbeitsaufwand an. Rückwirkend dürfte ich täglich nicht mehr als zwei Stunden für ISGF aufgewendet haben.
 
Damit ist das weit verbreitete Vorurteil widerlegt, Weltkomitee-Mitglieder seien ständig auf Reisen. Im damaligen Weltkomitee war es eine stille Übereinkunft, dass schon aus Kostengründen
eine solche Reiselust nicht akzeptabel sei. Natürlich gibt es „Pflichtreisen“, die schon deshalb wahrgenommen werden müssen, weil die örtlichen Gildenmitglieder zumindest das für sie zuständige
Weltkomitee-Mitglied, oft aber auch den oder die Vorsitzende(n) des Weltkomitees, sehen wollen. Das ist eine während der Weltkonferenzen bei der Erarbeitung des Action Plans immer wieder
unter dem Stichwort „Visualisierung“ (engl. Visability) genannte Erwartung.
 
Meine weiteste Reise führte mich im November 2009 zur WOSM-Regionalkonferenz AsPac in Kuala Lumpur (Malaysien). Asien war mir nicht fremd, da mein inzwischen verstorbener Bruder über
20 Jahre in Bangkok lebte und wir seine Familie häufig besuchten. Dennoch war die AsPac-Konferenz für mich eine großartige Gelegenheit, die unterschiedlichen Mentalitäten in dieser Region
besser zu verstehen. Hier traf ich auf Pfadfinder aus Australien und Neuseeland, die in ihren Denk- und Handlungsweise Europa sehr ähnelten. Ich bekam aber auch engeren Kontakt zu Pfadfindern
aus Bangladesh, Indien, Indonesien und Thailand, die Mitglieder in Millionenhöhe haben und sehr stark mit den jeweiligen Streitkräften verbunden sind. Hongkonger Pfadfinder kämpfen um ihre
Legitimation in der Volksrepublik China, Philippiner zeigen ihre christliche Basis ebenso selbstverständlich wie die Japaner ihre shintoistische. Und kleine Staaten wie z.B. Bhutan, Kambodscha,
Malediven oder Myanmar suchen zwischen den Kolossen Orientierung.
 
Viele der genannten Länder sind noch kein ISGF-Mitglied, so dass sich hier ein breites Handlungsfeld für Weltkomitee-Mitglieder ergibt. Ich habe allerdings gelernt, dass die Gewinnung
einer ganzen Nation als Mitglied noch komplizierter und langwieriger ist als die Gründung einer neuen Gilde in Deutschland. Die mit vielen Goldlitzen und Orden geschmückten Honoratioren
aus den asiatischen, aber auch aus den afrikanischen Ländern haben große Schwierigkeiten die Möglichkeiten interessant zu finden, außerhalb von Leitungsfunktionen in den nationalen
WOSM-Verbänden durch eine eigenständige erwachsenengerechte Pfadfinderarbeit Anerkennung und Selbstverwirklichung zu erlangen. Leider ist es während meiner Mitgliedschaft im
Weltkomitee nicht gelungen, überzeugende Werbematerialien für die Gewinnung neuer Mitglieder zu entwickeln. Weder das internationale Faltblatt noch der sogenannte Werkzeugkasten
„Our Kit“ sind da wirklich hilfreich, scheinen aber wegen der Vielfalt unserer Organisation das Machbare zu sein.
 
Es war aus meiner Sicht schon ein wichtiger Erfolg, bei den Teilnehmern der WOSM-AsPac-Konferenz Verständnis zu wecken für die Eigenständigkeit der erwachsenen Pfadfinder und für
die Möglichkeit, erwachsenengerechte Programme zu entwickeln und durchzuführen. Erst auf der Weltkonferenz 2014 in Sydney wurden aus dieser Region die Malediven Mitgliedvon ISGF
(neben Argentinien aus der Region Western Hemisphere). In Como waren 2011 lediglich Burkina Faso und Zambia (beide Region Afrika) als assozierte Mitglieder aufgenommen worden.
 
Meine Mitgliedschaft im Legal Team ist mir aufgrund meiner beruflichen Vorbildung quasi „zugefallen“. Mir war zu Beginn nicht bewusst, dass diesem Team eine Schlüsselfunktion zukommt.
Die Palette der zu bearbeitenden Themen reichte von Anfragen zur Funktion und Entscheidungsfähigkeit nationaler Gremien bis zu Wettbewerbsfragen wie z.B. die rechtliche Verankerung des
ISGF-Logos als international geschützte Marke. Breiten Raum nahm bis 2011 die von der Weltkonferenz in Auftrag gegebene Überarbeitung der ISGF-Constitution ein. Mario Sicca(Italien) als
Vorsitzender des Legal Teams hat uns in fachlich qualifizierter, kollegialer Weise durch diese Zeit geleitet. Die Zusammenarbeit mit ihm und den beiden adoptierten Mitglieder Carol Bowen
(Großbritannien) und Jean-Francois Levy (Frankreich) gehört zu meinen besten Erinnerungen an die Zeit im Weltkomitee.
 
Während meiner gesamten Amtszeit spielten die Beziehungen zu WOSM eine besondere Rolle, da der damalige WOSM-Generalsekretär Luc Panissod einen Alleinvertretungsanspruch für alle
Pfadfinder, also auch für die erwachsenen, reklamierte. Zudem hatte WOSM schon vor der Amtszeit von Luc ein Verfahren entwickelt, das jeden Verband, der mit WOSM zusammenarbeiten will
(außer WAGGS!), dazu zwingt, alle drei Jahre das Wohlverhalten gegenüber und den Nutzen für WOSM nachzuweisen. Verbände, die das nicht akzeptieren, werden von WOSM nicht als Partner
azeptiert oder verlieren die Anerkennung. Für ISGF würde dieser Verlust bedeuten, dass weltweit jegliche Kooperation von WOSM, wahrscheinlich aber auch von WAGGGS, aufgekündigt würde.
Auch der Ring Deutscher Pfadfinderinnen- und Pfadfinderverbände würde nicht mehr zur Verfügung stehen.
 
Luc versuchte die Erneuerung der Anerkennung zu nutzen, um seinen Alleinvertretungsanspruch gegenüber ISGF durchzusetzen. Nur durch intensive Verhandlungen von Mario Sicca und den
jeweiligen Weltkomitee-Vorsitzenden sowie mit Unterstützung durch das Legal Team kam es nach heftigen kontroversen Diskussionen im Legal Team und im Weltkomitee zu einem vor allem
in Zentraleuropa heftig befehdeten Joint Statement (= Vereinbarung über die Grundlagen der Zusammenarbeit), das von der ISGF-Weltkonferenz bereits 2011 akzeptiert, aber von beiden
Seiten nie unterschrieben wurde. Dies ermöglichte nach der Pensionierung von Luc Nachverhandlungen, die einige Schärfen aus dem Papier nahmen und zu einer erneuten Akzeptanz in der
Weltkonferenz 2014 führten.
 
Der Widerstand der Subregion Zentraleuropa richtet sich vor allem gegen eine Klausel im Joint Statement, nach der sowohl WOSM als auch ISGF ausschließlich mit anerkannten
Pfadfinderorganisationen zusammenarbeiten und „jeglichen Kontakt mit nicht anerkannten „Pfadfinder“-Organisationen aus dem Weg gehen“. Insbesondere Deutschland und Österreich sehen
durch diese Regelung Kontakte zu den dort existierenden Nicht-Ring-Bünden behindert. Für diese Argumentation gibt es – wie auch die zwei Abstimmungen in der Weltkonferenz zeigen –
international kaum Verständnis. Die meisten ISGF-Mitglieder kennen eine solche Konkurrenz zwischen anerkannten und nicht anerkannten Verbänden nicht. Dort, wo vereinzelt nicht anerkannte
Verbände existieren, wird der Kontakt ganz bewusst vermieden und werden – wenig pfadfinderisch – diese Verbände offen bekämpft.
 
 Meine Zustimmung zum Joint Statement ist im Weltkomitee durch die gemeinsame Auffassung erreicht worden, dass das Joint Statement lediglich die Beziehungen zwischen dem Weltkomitee
und den NSGF sowie nicht anerkannten Verbänden betrifft, nicht aber den Kontakt zu einzelnen örtlichen Gruppen von nicht anerkannten Verbänden. Dadurch ist aus meiner Sicht gewährleistet,
dass – wie in der Vergangenheit – jeder Pfadfinder Bruder jedes Pfadfinders ist, und zwar unabhängig von der individuellen Kluft und von Form und Farbe der Lilie oer des Kleeblattes. Bei dieser
Entscheidung war für mich aber auch wichtig, dass ominöse „Weltverbände“ von nicht anerkannten Verbänden keine Partner von WOSM werden können, denn die Regelung bindet WOSM natürlich
auch. Damit entfällt ein denkbares Druckmittel gegen ISGF.
 
Ein anderes Projekt, das mich über meine gesamte Zeit im Weltkomitee beschäftigte, war die Kooperation mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (United Nations High Comissioner
for Refugees – UNHCR). Martin Levy (Frankreich) hatte dieses Projekt während ihres ISGF-Vorsitzes 2005 – 2008 gestartet und zur Weltkonferenz 2011 in Como so weit gebracht, dass dort der
UNHCR-Repräsentant für Europa über die Arbeit der Organisation und Kooperationsmöglichkeiten referierte. Auf der Grundlage eines entsprechenden Votums der Weltkonferenz ist eine konkrete
Patenschaft vereinbart worden, in der ISGF in den Mitgliedsländern gebrauchtes Spielzeug sammelt, das Kindern in den zahlreichen Flüchtlingscamps in Afrika, ganz aktuell aber in Arabien,
zur Verfügung gestellt wird. Die in den Mitgliedsländern gesammelten Spielwaren werden den jeweiligen nationalen Repräsentanten von UNICEF übergeben und auf deren Kosten und Verantwortung
in die Flüchtlingscamps weiter geleitet werden.
 
Diese Sammelaktion ist nicht nur eine Möglichkeit, in armseligsten Verhältnissen lebenden Kindern wider Lachen in das Gesicht zu zaubern und ihnen Zugang zu den Grundideen des Pfadfindertums
zu ermöglichen. Die Kooperation mit UNHCR ist auch bestens geeignet Journalisten für die örtlichen Gilden und die NSGF zu interessieren. Inzwischen gibt es zahlreiche Presseartikel über diese
Aktionen, allerdings leider nicht in Deutschland. Hier ist das Projekt bisher wenig bekannt gemacht worden. Inzwischen ist der Wirkungsgrad des Projektes in der praktischen Anwendung sehr
erweitert worden: Einige nationale UNHCR-Repräsentanten haben in den Gesprächen mit den örtlichen oder nationalen Kooperationspartnern um andere Sachspenden als Spielzeug gebeten.
So sammeln z.B. dänische Gilden Wolldecken für UNHCR.
 
Die ISGF-Weltkonferenz 2005 hat die Zahl der Weltkomitee-Mitglieder von zehn auf acht reduziert. Diese Änderung trat nach einer in Wien 2008 beginnenden Übergangszeit mit den Neuwahlen in
Como 2011 endgültig in Kraft. Den vier verbleibenden Komiteemitgliedern (Muftah Ajaj, Libyen, Aziz Bensaid, Marokko, Paul Lokassou, Benin und ich) war klar, dass diese Reduktion mit einer
effektiveren und effizienteren Arbeitsorganisation einhergehen müsse. Im Weltbüro wurden dafür die Voraussetzungen mit der Anstellung von Cécile Bellet als neuer Generalsekretärin 2012
geschaffen. Diese Personalentscheidung ist ein Glücksfall für die gesamte Organisation!
 
Schon in der konstituierenden Sitzung des neuen Weltkomitees wurde deutlich, dass die Hoffnung auf Effizienz der Arbeit nicht realistisch war. Es wurde zwar den einzelnen Komiteemitgliedern
Aufgabengebiete zugeordnet, aber weder Ziele noch Zeitpläne vereinbart. Ich selbst wurde gemeinsam mit der Vizepräsidentin Nana Gentimi (Griechenland) für die Europaregion zuständig und
übernahm neben dieser Federführung auch die Leitung des Legal Teams, dem allerdings außer mir nur noch Nana angehörte. Die aufwändige rechtliche Prüfung von Satzungen blieb weitgehend
mir überlassen, da Nana wenig juristische Kenntnisse hatte und sich daher auf die sprachliche Überprüfung der vorgelegten Texte konzentrierte.
 
Eine völlig neue und sehr kraftzehrende Aufgabe ergab sich aus dem „präsidialen“ Führungsstil der neuen Weltkomitee-Vorsitzenden Mida Ridrigues (Portugal). Sie neigt zu einsamen Entscheidungen,
denen ich immer wieder entgegen treten musste, weil die ISGF-Constitution das Weltkomitee als Kollektivorgan konstruiert hat. Keines der Mitglieder kann alleine entscheiden, sondern alle Beschlüsse
müssen mit Mehrheit gefasst werden. Bei Stimmengleichheit ist ein Antrag abgelehnt. Mida tat sich mit diesem demokratischen Verfahren bis zum Ende meiner Amtszeit schwer und ich bin mir sicher,
dass sie meine zahlreichen Interventionen zumeist als störend empfand. Aber letztlich ging es immer, vor allem bei finanziellen Angelegenheiten, um die Gesamthaftung des Weltkomitees.
 
Meine Arbeit für die Europaregion war von der engen Freundschaft zu den Handelnden in der Region geprägt. Insbesondere mit Hans Slanec (Österreich), dem Vorsitzenden des Regionalkomitees,
verbindet mich die gemeinsame Auffassung über die Bedeutung der Region als „Kernland“ von ISGF. Mit Sorge sehen wir, dass die nationalen Gilden in Europa einen hohen Altersdurchschnitt haben
und für junge Erwachsene anscheinend nicht mehr sehr attraktiv sind. Verstärkt wird der Effekt durch die WOSM-Haltearbeit für junge Erwachsene. Die Mehrzahl der individuellen Mitglieder der
ISGF-Mitgliedsländer leben inzwischen außerhalb Europas, die Vertretung europäischer Interessen in der Weltorganisation ISGF wird damit zunehmend schwieriger.
 
Die Existenzfähigkeit unserer Organisation hängt in hohem Maße von der Gewinnung neuer Mitglieder ab. Dafür muss die Generation der Frauen und Männer im erwerbsfähigen Alter
(„Middle-Agers“) in den Blick genommen und erkundet werden, welche attraktiven Angebote dieser Gruppe unterbreitet werden können. Wer die Medien aufmerksam beobachtet kann erkennen,
dass zunehmend Angebote präsentiert werden, bei denen Väter mit ihren Söhnen, Mütter mit ihren Töchtern „Outdoor-Activities“ wie Lagerromantik, Spurensuchen, Geländespiele oder
gemeinsames Basteln gegen teures Geld angeboten werden. Hier werden unsere Kernkompetenzen als erwachsene Pfadfinder angesprochen. Das könnten unsere Gilden wahrscheinlich
qualifizierter und preisgünstiger anbieten!
 
Mit den Workshops der Europaregion ist eine Basis geschaffen für den regelmäßigen Austausch von Ideen und Erfahrungen zwischen den nationalen Gilden. Im März dieses Jahres fand in
Pannonhalma (Ungarn) zum 6. Mal ein solcher Workshop statt. An den vorhergehenden Workshops in Wandlitz und Paris habe ich teilgenommen und viele wichtige Anregungen für die
Arbeit im Weltkomitee erhalten. Auch die Europa- und Zentraleuropakonferenzen waren stets eine gute Gelegenheit um die Stärken und Schwächen, Sorgen und Nöten der verschiedenen
Länder kennen zu lernen. Die Bemühungen der Subregion Zentraleuropa um eine Wiederbelebung der nationalen Gilden im Baltikum und in Ungarn waren Ergebnis dieser Diskussionen.
Das Weltkomitee hat sich an den Kosten beteiligt, die Manne Bosse als Vorsitzender der Subregion und sein Team für persönliche Gespräche in den jeweiligen Ländern entstanden sind.
Dabei wurde deutlich, dass die Aufbauarbeit langwierig sein wird und nur gemeinsam mit der Nordic/Baltic-Subregion geleistet werden kann. Ich hoffe, dass es in allen Ländern gelingt
Teams zu bilden, die eine planmäßige Qualifizierung von einheimischen Gildensprechern und die Neugründung von Gilden ermöglicht. Finanzielle Unterstützung dafür könnte der ISGF
Development Fund geben. Es müssen allerdings auch aus der Region fundierte Anträge gestellt werden!
 
Rückblickend stelle ich fest, dass ich bei Amtsantritt offensichtlich zu viele Illusionen über die Arbeit im ISGF-Weltkomitee hatte. Der Ausgleich zwischen den verschiedenen Kulturen und
Mentalitäten auf Weltebene ist mühselig und langwierig, aber auch sehr spannend. Ich möchte die Zeit nicht missen! Ich habe viele neue Freundschaften geschlossen, einige davon scheinen
dauerhaft zu sein. Meine Tätigkeit in der Mitgliederhaltearbeit ist in Zahlen ausgedrückt ehe ein Misserfolg: In den ganzen sechs Jahren hat ISGF lediglich zwei neue Mitglieder gewonnen,
Argentinien und Malediven. Der Rückgang der individuellen Mitglieder konnte dadurch nicht ausgeglichen werden. Im Gegenteil, der Austritt der Trefoild Guild Großbritannien und der
Niederlande, der schon zu Beginn meiner Amtszeit unaufhaltsam schien, sowie die stetige Abnahme der Mitgliedszahlen in den europäischen Ländern führen zu einem Negativsaldo.
Die Konsolidierung einer Reihe von Mitgliedsländern und vor allem der Regionen Afrika, Asien/Pazifik und Westliche Hemisphäre werden erst in einigen Jahren messbare Erfolge bringen.
 
Wie gesagt, die Arbeit auf Weltebene erfordert einen noch längeren Atem und geringere Anspruchshaltungen als auf nationaler oder europäischer Ebene. Die Umsetzung der vereinbarten
Ziele ist wegen der begrenzten Amtszeit der Weltkomitee-Mitglieder nur möglich, wenn Mitglieder im neu konstituierten Weltkomitee bereit sind, die noch nicht zum Abschluss gebrachten
Arbeiten zu übernehmen. Die Mitgliederkonsolidierung ist glücklicherweise ein Projekt, das von der Weltkonferenz im „Action Plan 2014 – 2017“ fortgeführt wird. 
 
Trotz oder gerade wegen der zeitlichen Beschränkung möchte ich die Zeit im Weltkomitee nicht missen. Da geht es mir genauso wie Wato, die bereits in den 70er-Jahren Weltkomitee-Mitglied
war. Die Mitgliedschaft war für mich ein Gewinn. Ich habe bei der Entscheidung für die Kandidatur nicht einmal vermutet, dass ich zum damals schon absehbaren Ende eines erfolgreichen
Berufslebens noch einmal so viele neue Impulse bekommen würde. Das trifft z.B. für die sehr eindrucksvolle Feier des 60jährigen ISGF-Jubiläums 2013 in Danzig zu. Die polnischen
Pfadfinderfreunde haben in einem sehr familiären, aber würdevollen Rahmen dieses Ereignis begangen und mit großen Mühen auch die SKYPE-Verbindung zum Rest der Welt hergestellt.
Viele der zum Teil sehr hochaltrigen, mit hohen Ehrungen ihrer Tätigkeit im Widerstand gegen totalitäre Regime gewürdigten Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren durch das Internet zum
ersten Mal aktiver Part der internationalen Bewegung der erwachsenen Pfadfinderinnen und Pfadfinder. Sie wurden Teil von Geburtstagsfeiern in verschiedenen Kontinenten, aber auch bei
europäischen Freunden. Für uns Alle war dies und die große Gastfreundschaft ein bewegendes Erlebnis, für das sich die Reise nach Danzig gelohnt hatte. 
 
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